Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,
liebe Anwesende.
als ich diese Haushaltsrede schreiben wollte, sind mir viele Dinge eingefallen, die ich sagen muss, die ich mir von der Seele reden muss.
Über die Zumutungen, denen wir als Kommune seitens des Landes und des Bundes ausgesetzt sind.
Über die krassen Erhöhungen der Kreis- und der Jugendamtsumlage.
Über den selbstzerstörerischen Verbrauch von Substanz, aus der Not geboren, aus Notwendigkeit umgesetzt.
Aber dann habe ich die Reden der letzten Jahre noch einmal gelesen und gesehen: das alles habe ich schon gesagt. Letztes Jahr, vorletztes Jahr. Wir wissen es alle.
Neu ist hingegen die Höhe des geplanten Defizits. Hier erreichen wir einen neuen Negativrekord in der Geschichte der Gemeinde.
Neu ist auch, dass aufgrund der haushälterischen Sonderregeln im Zusammenhang mit der desaströsen Finanzausstattung der Nordrheinwestfälschen Kommunen in Gänze und den vielen zu finanzierenden Aufgaben, die klassischen Bewertungsregeln ausgeweitet sind. Rückstellungen, isolierte Aufwendungen – das alles macht den Haushalt vielschichtiger und unübersichtlicher.
Gleichzeit eröffnet diese Ausweitung der Plandimension die Tür zu Interpretationen hinsichtlich der mittel- und langfristigen Planung.
Der Haushaltsplanentwurf wird politischer.
Investitions- und Finanzierungsentscheidungen müssen bzw. sollten verstärkt nicht nur nach akuter Bedarfslage entschieden werden, sondern idealerweise auch einer Ideen orientierten Langfristplanung folgen.
Permanente Planungs- und Regulierungsinstrumente sowie eine, an diesen Erfordernissen angepasste Organisation werden immer wichtiger.
Mit der Idee einer strategischen Arbeitsgruppe, bestehend aus Politik und Verwaltung hat der Bürgermeister eine Idee in den planerischen Prozess eingebracht. Dies kann aber nur ein erster Ansatz sein.
Auch die immer wieder eingebrachte Idee des ehemaligen Kollegen Wasserberg, einen Doppelhaushalt aufzustellen hat in der herausfordernden aktuellen Situation einen gewissen Charme und sollte ggf. in der Zukunft erwogen werden.
Aber wie wollen wir als Fraktion nun mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf umgehen?
Diese Frage ist und war in diesem Jahr so schwer zu beantworten wie niemals zuvor und wir haben in der Tat bis kurz vor dieser Ratssitzung alle Tatsachen abgewogen.
Ja, bei dieser Ausgangslage sind die Spielräume gering. Kurzfristig nahezu alternativlos.
Wie eingangs ausgeführt braucht jeder Haushaltsplan in zunehmenden Maße auch ein langfristiges Ziel, eine Idee, auf welche hin er sich orientieren sollte.
Das mag aus Sicht des laufenden Jahres eher symbolisch anmuten, aber wie im Sport der Körper dem Blickt folgt, ist es in dieser Situation aus unserer Sicht besonders wichtig, den Blick auf ein helleres Ziel zu richten und die ersten kleinen Schritte dahin zu tun.
Und diese kleineren Schritte, die wir tun möchten, sind ebenfalls nicht neu.
Wir haben in diesem Jahr erneut über die Frage der Fortführung des Gemeindekindergartens unter Eigenregie gesprochen.
Die Mehrkosten für einen Eigenbetrieb werden auch in den kommenden Jahren im Bereich von 400.000 Euro liegen. Mehrkosten, die durch die eigentliche Funktion des Kindergartens nicht begründet werden können.
Der Annahme, dass der Kindergarten unter dem Betrieb durch den Kreis schlechter funktionieren würde, ist erstmal genau und auch nur das: eine Annahme, eine Befürchtung, für die es keine belastbaren Hinweise gibt.
Das Konzept der Kreismäuse ist ebenfalls durch vielfältige Preise und Anerkennungen ausgezeichnet worden. Das Personal würde aller Voraussicht nach dasselbe bleiben. Es wird keine Entlassungen geben, denn auch im Kreis sind gute MitarbeiterInnen ein gesuchtes und geschätztes Gut. Die Mitarbeiter selbst haben keine Verschlechterung Ihrer Arbeitsbedingungen oder schlechtere Bezahlung zu befürchten.
Selbst die Einbindung in das bestehende Gesamtbetreuungsangebot in Titz würde kaum mit dem Trägerwechsel enden.
Einzig bei Pressemitteilungen würde wohl zukünftig der Landrat vom Foto lächeln.
Natürlich ist da noch die emotionale Komponente, ein Kindergartenangebot, „von hier“ zu haben, das Gefühl, etwas Liebgewonnenes nicht abgeben zu wollen. Das ist nachvollziehbar, aber dieses Gefühl hat eben auch ein Preisschild. Können wir uns dafür rund 400.000 Euro jedes Jahr in den kommenden Jahren noch leisten?
Wir meinen, nein.
Das Rathaus soll erweitert werden. Grundsätzlich eine gute Sache, denn abgesehen von einer Entzerrung des Arbeitsplatzes der Mitarbeiter ließen sich auch energetische Synergien realisieren.
Aber ist es ein gutes Zeichen, oder um in meinem Bild zu bleiben, die richtige Blickrichtung diese Entscheidungen in einer Zeit zu treffen, wo wir finanztechnisch kaum das Ende unserer eigenen Beine erkennen können?
Wir meinen, nein.
Und was uns besonders stört: schon zur vorletzten Haushaltsplanberatung haben wir angemahnt, dass die langfristigen Folgen für die Bau- und Expansionstätigkeiten in der Gemeinde nicht mit einem geeigneten Folgen-Abschätzungstool bewertet werden.
Wir bauen, ohne die Langfristfolgen absehen zu können.
Wie viele Kindergartenplätze, wie viele Schulplätze werden wir in der Zukunft brauchen? Wie groß muss die Feuerwehr sein? Wie viele Mitarbeiter braucht die Gemeindeverwaltung in zehn Jahren? Wie hoch muss der Gewerbeertrag sein, um all das zu bezahlen?
All das sind Fragen, die heute niemand ganz genau beantworten kann. Das kann auch kein Planungstool.
Aber ohne genauere Planungstools stellen wir uns diese Fragen nicht einmal, sondern reagieren kurzfristig auf den Bedarf.
Hier, Herr Bürgermeister haben Sie uns regelmäßig Zusagen gemacht. Ein entsprechendes Planungsinstrument können wir indes bis heute nicht erkennen.
Infolgedessen war also die Frage, die wir uns stellen mussten: bestätigen wir heute einfach einen Haushaltsplanentwurf, der in weiten Teilen nicht hausgemacht ist und an dem niemand „schuld“ ist oder ist uns das zu wenig, zu kurz und ohne den Blick auf den Horizont?
Herr Bürgermeister, liebe Verwaltung, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir testieren Ihnen und uns gerne, dass hier in den Grenzen unserer Landgemeinde niemand Schuld hat an der desaströsen Finanzlage, niemand Verträge abgeschlossen, Vorlagen geschrieben oder durch Handheben Entscheidungen getroffen hat, die erkennbar grob fahrlässig oder unverantwortbar gewesen wären. Mit Blick auf das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler gibt es solche Beispiele bundesweit genug.
Nein, wir sind weitgehend die Getriebenen, die Suppe-Auslöffler. Aber das sollte uns nicht davon abhalten, in den wenigen Bereichen, die wir wirklich gestalten können und müssen auch den kleinen Hebel nicht zu missachten. All das testieren wir Ihnen gerne, aber aus den angeführten Gründen möchten wir schlussendlich dem Haushaltsplanentwurf heute nicht zustimmen.
Dies ist die Stelle meiner Rede, an der ich mich aber herzlich bei der Verwaltung im Ganzen, heute aber natürlich bei den Mitarbeitern der Finanzverwaltung im Besonderen für die Erstellung des Haushaltsplans und der Vorlagen bedanken möchte.
Das ist alles viel Papier, was Sie jedes Jahr zusammentragen, in Beziehung setzen und uns vermitteln, aber es ist dennoch nur die Essenz eines ganzen Jahres guter und vertrauensvoller Zusammenarbeit.
Ich bin fest überzeugt, dass neue Planungs- und Controllinginstrumente bei Ihnen in guten Händen wären und uns allen eine noch bessere Grundlage für das Steuern des Schiffes auch im dicken Nebel ermöglichen würden.
Auch bei den Kolleginnen und Kollegen hier im Rat und in den Ausschüssen möchte ich mich bedanken.
Wir sind politisch nicht immer Freunde, dass merkt man gerade in einem solchen Jahr mit einer außerordentlichen Bundestagswahl und einer Kommunalwahl.
Aber da, wo wir Verantwortung tragen, bei Angelegenheiten der Gemeinde, findet sich immer Gelegenheit für ein offenes Ohr und einen zugewandten Austausch.
Wir wollen hoffen, dass dies auch nach der Kommunalwahl, in welcher Konstellation auch immer, so bleiben kann.
In diesem Sinne, bleiben Sie alle gesund und vor allem engagiert.
Gerade heute können Demokratie, Freiheit, Menschen- und Bürgerrechte jeden Freund gebrauchen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.