Haushaltsplan, Stellenplan und Hebesatzsatzung 2021

Viel Schatten, wenig Licht und ein falschen Spiel von Bund und Land

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren.

Wir haben merkwürdige Zeiten. Das weiß jeder allein schon, wenn er uns hier heute so zusammen sieht: Sie mit Maske, ich mit langen Haaren und vor uns ein schwieriger und anstrengender Haushaltsplanentwurf 2021. Ich würde sagen, wir alle sind nicht ganz glücklich damit und uns alle eint der Wunsch, dass sich die Situation verbessern möge.
Das gilt leider für unsere Haushaltssituation im Besonderen.

Wenn ich einen Blick in die Haushaltsreden der vergangenen Jahre werfe, so spiegelt sich darin immer der Tenor der Hoffnung auf einen positiven Trend wieder.

Und in der Tat gaben die, um Einmaleffekte bereinigten Haushaltszahlen der vergangenen Jahre dazu verhaltenen Anlass.

Der Haushaltsansatz 2021 reißt all das ein. Der Hauptgrund dafür wird jedem klar sein.
Die CORONA-bedingten Einschränkungen im Alltag im Allgemeinen und der Arbeitswelt im Besonderen schlagen über verminderte Einnahmen der Gewerbesteuer und dem Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer extrem negativ zu Buche.

Gerade bei den Umlagen haben sich unsere Wertfaktoren (Einwohner, Schülerzahlen etc.) durchaus positiv entwickelt. Wo aber die Berechnungsbasis korrodiert, kann auch das Ergebnis unterm Strich nicht gut ausfallen.

Schauen wir uns die Zufluss-Seite genauer an und beginnen mit dem Gemeinde-Finanzierungs-Gesetz 2021. Die Zahlen des GFG 2021 sehen auf den ersten Blick weniger schlimm aus, als es die Umlageprognosen für 2021 befürchten lassen.

Die Landesregierung versprach den Kommunen Hilfe und legt daher dem GFG 2021 zunächst die Fortschreibung der Steuerschätzung vor der CORONA-Krise zugrunde.
Die Zuständige Ministerin Scharrenbach machte jedoch bereits früh in Ihrer Einbringungsrede vor dem Landtag klar, dass die Landesregierung nicht bereit sei, Kommunen „bedingungslos und ohne Auflagen“ das Geld zu geben. Das Land kreditiert also den Kommunen lediglich die Differenz von 943 Millionen Euro. Die Rückzahlung könne dann später aus den Steigerungssummen beim Gemeindefinanzierungsgesetz erfolgen, die sich ergeben, wenn sich die wirtschaftliche Situation der Kommunen wieder gebessert hat, teilt das Finanzministerium mit.

Löschen Sie Ihr Haus jetzt und zahlen Sie den Feuerlöscher in 10 bequemen Raten.

Herr Bürgermeister, ich hoffe, Sie haben die Rechnung von Frau Scharrenbach schon in Ihren grünen Balken für die kommenden Jahre mit einberechnet.

Und ganz fair spielt die Landesregierung das Spiel „Meine Kosten, Deine Kosten“ auch nicht.
Die Erstattung von Flüchtlingskosten liegen nach einem, der Landesregierung seit zwei Jahren vorliegenden Gutachten 2.000-4.000 € pro Fall zu niedrig.
Die, von der Landesregierung werbeträchtig angekündigte Bildungspauschale wird nicht durch zusätzliche Mittel finanziert, sondern aus GFG-Mitteln.
12 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm der CORONA-Pandemie für den Zeitraum von drei Jahren werden nicht an die Kommunen weitergegeben.

Meine Damen und Herren, wir sind in der glücklichen Situation die meisten der Faktoren, die kommunale Armut während der Coronakrise befördern, nicht zu haben. Wären wir eine Stadt wie Mönchengladbach, Dortmund oder eine der vielen anderen Kommunen in der Haushaltssicherung, mit Altschulden und wegbrechenden Einnahmen der Gewerbesteuer, wäre das GFG2021 kein Trost und die reine Kreditierung ein Damoklesschwert mit einem verdammt dünnen Faden.

Und während wir uns hier im Rat darüber streiten, ob ein Mindestabstand zum Tagebau 100 Meter mehr oder weniger sein soll erschwindeln sich Bundes- und Landesregierung Ihre Begründung für die Fortführung des Landfraßes durch unsere Nachbardörfer.

Ich habe selbst einen Kommentar zur Leitentscheidung der Landesregierung geschrieben. Dabei habe ich mich nicht nur auf die reinen Sachthemen bezogen, sondern auch darauf, dass die Landesregierung immer wieder den Anspruch an eine Befriedung der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema angeführt hat, welchen sie schon mit dieser Leitentscheidung nicht gerecht wird.

Selbst hier im Rat haben wir uns darüber gestritten, ob ein Abstand zum Tagebau 100 Meter weiter oder näher richtig ist. Wir haben ernsthaft Zahlen hin und hergeschoben und in den engen Grenzen, die uns die vermeintliche Notwendigkeit des Resttagebaus setzt, diskutiert.
Alles unnötig, alles vergebens. Denn was Bundes- und Landesregierung schon längst wussten: es gibt keine Notwendigkeit die verbleibenden Dörfer dem Erdboden gleichzumachen.

Seit über einem Jahr liegen Bundes- und Landesregierung dieses Gutachten zu alternativen Pfaden, mit und ohne Wegbaggern der verbliebenen Ortschaften vor.
Eben so lange werden Anfragen von Parlamentariern und Umweltverbänden abgewimmelt, obwohl schon längst bekannt war, dass es alternativen zu dem bisher propagierten Weg gibt.
Stattdessen übten RWE und die Landesregierung weiter Druck aus. Die Ergebnisse der Kohlekommission wurden weitgehend ignoriert. Es wurde ein Kohleausstiegsgesetz formuliert, dass die faktisch nicht vorhandenen Notwendigkeit der Ausweitung der Abbaugrenzen durch eine rein rechtliche Definition ersetzte.
Stattdessen setzte die Landesregierung in den ersten Reaktionen noch einen drauf und argumentierte, dass in diesem Gutachten ja noch nicht die neue rechtliche Lage berücksichtigt wurden. Damit kann nur das Kohleausstiegsgesetz gemeint sein.

Übersetzt heißt dies so viel wie: das Gutachten hat nur festgestellt, dass die Zerstörung der Dörfer und der Umwelt unnötig ist, weil es damals noch nicht das Gesetzt gab, dass die Notwendigkeit feststellt. Wie ein Vater, der seinem Kind verspricht, wenn es morgen warm wird, gehen wir ein Eis essen. Am nächsten Tag erklärt er dann, es wäre zwar faktisch 40 Grad, aber IHM wäre es gefühlt nicht warm genug.

Dem Ministerpräsidenten ist der Braunkohletagebau gefühlt notwendig.
Meine Damen und Herren, um das ganz klar zu sagen: wir wurden hier belogen und betrogen!

Und was hat das jetzt mit unserem Haushalt zu tun?
Sehr viel.
Seit Jahren stehen wir in den Planungen für die Zeit nach dem Tagebau.

Wir haben einen Zweckverband gegründet.

Wir planen Investitionen in Infrastruktur, Verkehr, Wasserver- und Entsorgung, Bildung.

Wir müssen mit den Schäden durch den Bergbau ebenso kalkulieren wie sorgsam mit angekündigten Fördermaßnahmen als Anrainerkommune umgehen.

All das macht es notwendig verlässliche und ehrliche Zahlen und Fakten zu bekommen.
Und die wichtigsten Lieferanten dieser Zahlen spielen nun nachweislich falsch!
Damit sehen wir uns wieder um gut zwei Jahre zurückgeworfen, stehen da mit einem vermutlich rechtswidrigen Kohleausstiegsgesetz, einem Drehbuch für die Nachfolgeplanung, das dann das Papier nicht wert ist, auf dem es gedruckt wurde und einer Landesregierung, die den Kopf in den Sand steckt und gemeinsam mit dem Bergbautreibenden gerade vor Ort Fakten schafft.

Und um auch das gleich klarzustellen: es handelt sich hier nicht um wirtschaftsfreundliche Politik.

Wirtschaftsfreundliche Politik sorgt für Planungssicherheit, anstatt Nebelkerzen zu zünden.

Wirtschaftsfreundliche Politik sorgt für ein ausgewogenes Kräfteverhältnis entlang vertikaler und horizontaler Wertschöpfungsketten anstatt einzelne Branchen, ja einzelne Unternehmen zu bevorteilen.

Hier geht es einzig und allein um das Geschäftsmodell von RWE, das der Landesregierung und offenbar auch dem Bund besonders am Herzen liegen.
Alternative Fakten made in NRW.
An dieser Stelle knüpft wieder unsere Haushaltsproblematik an.

Wir brauchen mehr PV Anlagen auf Titzer Dächern und Speicher in den Gebäuden, insbesondere den gemeindeeigenen. Das spart Energiekosten durch Eigenverbrauch und Einspeisevergütung und hilft der Energiewende wirklich.
Gelder einnehmen und Gutes tun in einem.

Wir müssen unser Windkraft-Konzept neu überdenken. Seitdem wir unsere Kriterien für die Ansiedlung von Windkraft-Anlagen beschlossen haben, haben sich die Rahmenbedingungen radikal geändert. Statt des damaligen Zwei-Prozent-Ziels für nutzbare Gemeindefläche werden heute schon 4-5 Prozent und mehr in der Planung zugrunde gelegt. Nach der aktuell gängigen Rechtsprechung wäre ein Kompromiss wie 2009 heute gar nicht mehr möglich. Das halte ich persönlich für gut und richtig, aber als Gemeindevertreter möchte ich, dass wir das Heft des Handelns selbst in der Hand behalten und ein neues, rechtssicheres und zukunftsweisendes Konzept gemeinsam mit der Bürgerschaft erarbeiten.

Wir dürfen trotz aller Freude über die Planung einer Revier-S-Bahn nicht die Verbindungen zu unseren Nachbarkommunen vergessen. Ja, die Vorstellung des Nahverkehrsplans alle fünf Jahre ist jedes Mal ein Quell von Missmut und Resignation. Man fasst sich an den Kopf, dass man unter Umständen schneller in Köln als in Erkelenz ist. Und man merkt, dass Titz einfach zu weit weg ist von Düren oder Aachen. Vielleicht würde aber schon ein Rad-Schnellweg Abhilfe schaffen. Auch hier dürfen wir weiterdenken und uns nicht auf andere Planungsebenen verlassen.

Meine Damen und Herren, Thomas Jefferson hat einmal gesagt:“ Verfüge nie über Geld, bevor Du es hast.“
In diesem Sinne müssen wir heute auch über die Realsteuern in der Gemeinde sprechen. Realsteuern heißen die, weil sie allein an das Besteuerungsobjekt und nicht an die persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners anknüpfen sollen.

Und Realsteuern haben de facto als wichtige Funktion die Erzielung von Einnahmen.
Wie wichtig diese gerade im Moment sind, zeigt die gegenübergestellte Planung von Steuerpfaden mit bzw. ohne Erhöhung der Hebesätze. Ja, es gäbe gute Gründe von der Erhöhung der Hebesätze in diesem Jahr abzusehen. Aber das Fortschreiben der Planung zeigt ja bereits, dass wir in den kommenden Jahren ebenfalls einen Werteverzehr realisieren werden. Kurz gesagt: die kleine Atempause von heute schnürt uns den Gürtel morgen gleich noch zwei Löcher stärker zu.

Bei der Grundsteuer B bin ich der Überzeugung, dass eine plan- und maßvolle Erhöhung des Hebesatzes um 40 Punkte heute besser zu ertragen ist als die Unsicherheit, mit wieviel Steigerung ggf. eine Nullrunde in diesem Jahr im Jahr 2022 aufzufangen wäre.

Neben der Erzielung von Einnahmen sollen Lenkungswirkungen von Realsteuern zwar nur von untergeordneter Bedeutung sein. Es kann aber gute Gründe geben die Höhe der Hebesätze und die Balance zwischen den einzelnen Realsteuern nicht nur vom gesamten Finanzierungsbedarf der Gemeinde abhängig zu machen, sondern auch von der Art der Kosten her.
Schon seit mehreren Jahren mehren sich die Kosten für die Gemeinde, die im Zusammenhang mit Landwirtschaft im allgemeinen und Wirtschaftswegen im Besonderen entstehen. Kosten im Übrigen, die bei einer gemeinsamen, abgesprochenen und achtsamen Herangehensweise von Landwirtschaft, Bürgerschaft und Gemeindeverwaltung gut zu minimieren wären.

Die Bereitschaft, dazu einen konstruktiven Dialog zu führen und belastbare Vereinbarungen zu treffen, reichen bei den Ortslandwirten jedoch von sehr konstruktiv bis absolut obstruktiv, eine Haltung, die übrigens auch nicht mehr betriebswirtschaftlich zu erklären ist.

In diesem Sinne glaube ich zwar in der Politik und der Verwaltung weiterhin eine ausgeprägte Bereitschaft zu spüren, die, die Gemeinde besonders prägende Landwirtschaft als starke und wichtige Säule einzubinden und bei Problem und Anliegen zu unterstützen.

Gleichwohl leben in der Gemeinde Titz mittlerweile weit über 8.000 andere Bewohner, die ebenfalls den berechtigten Anspruch haben, mit Ihren Belangen und Wünschen angemessen berücksichtigt zu werden.

Die heute zur Entscheidung anstehende deutliche Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer A trägt diesen veränderten Strukturen Rechnung.

Bei dieser Gelegenheit darf im Übrigen auch nicht vergessen werden, dass die Steuereinnahmen nicht in einem schwarzen Loch verschwinden. Ihre Steuern, meine Damen und Herren, manifestieren sich in einer sehr erfolgreichen Primusschule, in nicht wackelnden Tischen, in gesunden Stühlen, in einem Gemeindekindergarten, der zur zweitbesten Kita Deutschlands gekürt wurde, in Sportplätzen, Bürgerhäusern, Straßen und Plätzen und nicht zuletzt in diesem schönen modernen Feuerwehrhaus.

Bevor ich nun noch zu den gewohnten und auch verdienten Danksagungen komme möchte ich nach so vielen Punkten ausdrücklich unsere neue Beigeordnete Frau Schmitz begrüßen. Frau Schmitz, ich kündige schon jetzt an, dass Vieles, was Sie hier gehört haben früher oder später als Antrag wieder auftaucht und ich könnte mir denken, dass vieles davon auf Ihrem Schreibtisch liegen wird. Es wird nicht leicht, aber ich freue mich schon heute darauf, mit Ihnen um gute Lösungen ringen zu können.

Ja, Herr Dahlem, Herr Zehnpfennig, meine Damen und Herren der Verwaltung, ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Haushaltsplanentwurf ein besonderer war. Einer, der Sie nicht nur gewohnt viel Arbeit, sondern auch die ein oder andere Sorgenfalte gekostet hat. In diesem Haushaltplanentwurf stecken außergewöhnlich viele Unwägbarkeiten und Unsicherheiten. Aber auch in der Vergangenheit haben Sie bewiesen, dass Sie offenbar sehr gute Modelle für den Umgang mit solchen Unwägbarkeiten haben. Ich habe daher keine Benken heute dem Haushaltsplan in Gänze zuzustimmen.

Deswegen gilt mein erster Dank Ihnen allen, auch im Namen meiner Fraktion.

Einen zweiten, sehr persönlichen Dank möchte ich auch noch an die übrigen Fraktionen hier im Rat und besonders deren Fraktionsvorsitzende richten. Trotz aller, wie ich finde, berechtigten Kritik an Landes- und Bundesregierung die sie von mir gehört haben bzw. den sie tragenden Parteien, haben wir unabhängig von Parteibüchern gerade in den vergangenen Monaten immer wieder bei wesentlichen Entscheidungen für die Gemeinde schnell und verlässlich gute gemeinsame Entscheidungen vereinbaren können.

Das ist nicht selbstverständlich, wie Blicke in umliegende Kommunen zeigen und das sollte auch nicht bei jedem Thema so sein. Konkurrenz um die besten Ideen belebt auch die Kommunalpolitik.

Aber es sollte möglich sein. Dass dies in Titz so ist, dafür Ihnen allen meinen Dank.

Meine Damen und Herren, weil Sie es mittlerweile von mir gewohnt sein dürfen, möchte ich Ihnen auch heute einen abschließenden Aphorismus zum Thema nicht vorenthalten. In diesem Jahr zitiere ich Werner Mitsch: “Haushaltsplanung: die Kunst, ein Fass ohne Boden zum Überlaufen zu bringen.“

Bitte bleiben Sie gesund!